Forschungsergebnisse

Ausgehend von der Feststellung, dass der Spracherwerb mittelgradig schwerhöriger Kinder mit einer Innenohrschwerhörigkeit bisher kaum untersucht wurde, befasste sich das Projekt in beiden Projektphasen zentral mit dem Spracherwerb dieser Gruppe von Kindern.

Für die erste Phase lassen sich die folgenden Ergebnisse festhalten:

(1) Der Spracherwerb ist in den folgenden Bereichen beeinträchtigt bzw. verzögert: Diskrimination finaler Konsonanten (insbesondere /s/ und /t/), phonlogisches Arbeitsgedächtnis, Produktion korrekter SVK sowie Verständnis und Produktion komplexer Satzstrukturen.

(2) Trotz der selektiven Einschränkungen bei der Lautwahrnehmung und den unter (1) aufgeführten Beeinträchtigungen erweist sich der Spracherwerb mittelgrad schwerhöriger Kinder insgesamt als robust. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Spracherwerb zwar verzögert, aber nicht per se gestört ist.

(3) Der Zeitpunkt der Hörgeräteversorgung hat keinen Einfluss auf den Spracherwerb: Die früh versorgten Kinder erzielten in keinem der untersuchten Bereiche bessere Ergebnisse als die später versorgten Kinder.

Aus diesen Ergebnissen ergaben sich anschließende Fragestellungen, die in der zweiten Projektphase mit weiteren Probandengruppen untersucht wurden. Führt eine höhergradige Hörbeeinträchtigung zu einem qualitativen Defizit? Welche Konsequenzen hat die Art der technischen Versorgung (Hörgerät vs. CI) für den Spracherwerb? Lassen sich syndromspezifische Beeinträchtigungen identifizieren, z.B. im Vergleich zu Kindern mit einer SSES?

Für die zweite Phase lassen sich die folgenden Ergebnisse festhalten:

(4) Die Mehrheit der mittelgradig schwerhörigen Kinder holt die sprachlichen Defizite bis zum Schulalter auf.

(5) Die sprachlichen Defizite werden durch den Schweregrad der Hörbeeinträchtigung in der Regel nicht beeinflusst. Allerdings werden unsere Beobachtungen und Interpretationen dadurch begrenzt, dass es nicht gelang, ausreichend hochgradig schwerhörige Probanden mit Hörgeräteversorgung zu finden, da diese Kinder seit der Einführung des bundesweiten Neugeborenenhörscreenings mehrheitlich und sehr früh mit CIs versorgt werden.

(6) Die sprachlichen Defizite sind durch die technische Versorgung (Hörgeräte vs. CI) charakterisiert. Mit CI versorgte Kinder zeigen in der Regel keine vergleichbare Erwerbsverzögerung wie Kinder mit Hörgeräteversorgung, sondern erzielen in fast allen Bereichen vergleichbare Werte wie die hörenden Kontrollkinder.

(7) Sowohl bei den mittelgradig schwerhörigen Kindern mit Hörgeräteversorgung wie bei den mit CI versorgten Kindern legen die Testwerte einzelner Ausreißer nahe, dass die technische Vorsorgung keine intakte Sprachentwicklung garantiert, sodass in Einzelfällen nach individueller Bedarfsüberprüfung eine therapeutische Intervention für die Grammatikentwicklung notwendig ist. Hierfür lassen sich durch unsere Projektergebnisse gezielte Therapieschwerpunkte vorhersagen.

(8) Der Vergleich mit dem Grammatikerwerb bei Kindern mit einer SSES belegt, dass einerseits dieselben „verletzlichen“ Phänomenbereiche betroffen sind, allerdings auf eine syndromspezifische, d.h. charakteristische Art und Weise.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Spracherwerb schwerhöriger Kinder in charakteristischer Weise durch die Höreinschränkung und die Art der technischen Versorgung geprägt wird und dass sich der Grammatikerwerb dieser Kinder spezifisch von dem bei Kindern mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit und Hörgeräten, bei Kindern mit einer CI-Versorgung und bei Kindern mit einer SSES unterscheidet.

Weitere Informationen zu unseren Forschungsergebnissen finden sie auch hier.